Zuwendung statt Abwendung

Ich bin derzeit zur Recherche für mein neues Buch MEILIN und zur Frauen-Vernetzung in der Dordogne. In der Kirche von St. Emilion hat mich dieser Ausschnitt einer modernen Fresko verstört und mir begreiflich gemacht, was das Patriarchat mit uns durch Äonen gemacht hat. 

 

Es hat die Männer in Kriege (und heute in die Wirtschaft) abgezogen und sie zu Knechten gemacht, die mit blindem Eifer einer fremden Mission folgen. Die Frauen, Jahrtausende lang, durch Religionen herabgewürdigt, recht- und mittellos ergrauten und verhärmten. Alle waren Verlierer, nichts und niemand hat durch Kriegszüge gewonnen. Die erzwungenen Rollen lassen uns abgestumpft und leer zurück. 

 

Ich sehe heute einen grossen Gewinn im Aufweichen der alten Rollen. Es ist ein gemeinsamer Aufbruch in das Finden der eigenen, selbst gewählten Rolle. Wir werden (zumindest in unserer westlichen Gesellschaft) nicht bei Leib und Leben bedroht, verfolgt oder ausgestossen, wenn wir andere Lebensmodelle wählen. 

 

Ich plädiere für die Zuwendung der eigenen Bedürfnisse und der tief angelegten Talente. Ich plädiere für Teilzeitarbeit: dadurch bekommen Männer Raum für Selbstreflexion, Zeit für Beziehungen, auch für Care Arbeit, die heute zu 90% von Frauen meist unbezahlt verrichten. Ich plädiere für die (Selbst-) Ermächtigung der Frauen. Zu viele Talente, Visionen und unausgeschöpfte Energien liegen brach, die der Gesellschaft mit ihren aktuellen Herausforderungen zu Gute kämen. 

 

Am Ende dient das Rollenaufweichen auch der Paarbeziehung. Der Partner wird lebendiger und interessanter, wenn er nicht nur blinder Pflichterfüller ist, wenn er sein Leben mit Freude und innerem Commitment gestaltet. Und: Wer selber satt ist, ist dem andern gegenüber grosszügig, was Zeit/Raum schenken und Erfolg anbelangt.