Die Kirche bleibt im Dorf

In meinem kleinen Dorf, wo ich aufgewachsen bin, steht eine reformierte Kirche. Mitten im Dorf, wie es sich gehört. Zu meiner Zeit mussten die wenigen Katholiken ins Nachbardorf zum Gottesdienst. Es gab in den frühen Siebzigern eine italienische Familie, vor deren Kinder wir Obacht haben sollten. Man wisse ja nie. Eine Handvoll Deutsche waren dazumal im Grenzdorf ansässig. Afrikaner kannte ich nur aus den Missionsgeschichten der Sonntagsschullehrerin. 

 

Nun berichtet mir meine betagte Mutter gestern am Telefon, dass in eben unserer reformierten Kirche am Samstag ein katholischer Abdankungsgottesdienst stattgefunden hätte. 

 

Der Verstorbene, Gott hab ihn selig, war in den Siebzigern als Zollbeamter aus der Innerschweiz zugezogen. Macht ja Sinn, weil es in der Innerschweiz keine Landesgrenzen gibt. Und er hatte als frommer Innerschweizer seinen katholischen Glauben mitgenommen. 

Nun, am besagten Samstag wäre die beschauliche reformierte Kirche bei der Beisetzung bis auf den letzten Platz besetzt gewesen. Man hätte sogar Stühle zustellen müssen. Meine Mutter hätte sich auf die Empore verschanzt, weil sie dieses katholische Zeugs mit dem Bekreuzigen und Nachplappern nicht richtig konnte. Drei Alphornbläser hätten gespielt. Und ein schwarzer Pfarrer hätte gepredigt. Er hätte seine Sache sogar richtig gut gemacht. 

 

Und die Kirche steht immer noch im Dorf.