Gogi und Nonno - ZWEI HÄHNE AUF GROSSER REISE

Meine Schulfreundin ist eine häusliche Zeitgenossin, die es sich in ihrem kleinen Reich im Nordosten der Schweiz gemütlich eingerichtet hat. Sie kümmert sich liebevoll um ihre Sippe, Freunde und ihren kleinen Zoo. Meines Wissens hat sie die umliegenden Nachbarländer gestreift, aber weit in die Welt hinaus hat es sie nie getrieben. Es hat etwas Witziges, dass ihr das Schicksal zwei exotische Schwiegersöhne ins Haus geschneit hat. Einer stammt aus der Slowakei der andere aus Senegal.

 

Der Afrikaner lebt seit mehreren Jahren in der Schweiz, spricht lupenreines Deutsch und hat sich durch verschiedene Jobs ein breites Know-how erworben. Er und seine frisch Angetraute haben meine Freundin letzten Sommer zur Grossmutter gemacht und wohnen mit dem Säugling in einer kleinen Zürcher Stadtwohnung. Ganz zum Unbehagen meiner Freundin plant das Paar ins Heimatland des Vaters auszuwandern und dort eine neue Existenz aufzubauen. Mit einer Hühnerfarm.

 

Der geschäftstüchtige Senegalese klapperte im Vorfeld Brockenhäuser ab, um intakte Gegenstände für seinen Zwischenhandel zu erwerben. Am Strassenrand deponierten Wohlstandsmüll packte er beherzt in seinen klapprigen Renault. In der kleinen Stadtwohnung stapelten sich die Güter, die zum Wiederverkauf im Heimatland geplant waren. Für die seine Hühnerzucht erstand er ein gebrauchtes Inkubationsgerät.

 

Mitte Dezember lieh sich die Tochter bei ihrer Mutter einen alten Schrank aus. Schnell verstand meine Freundin, dass sie das Möbel nie mehr unversehrt zurück bekommen würde. Denn in den Kasten zogen vorübergehend zwei prächtige Schweizer Hähne ein und wurden nach den Schweizer Grossvätern benannt. Gogi und Nonno feierten mit der kleinen Familie, der Schweizer Verwandtschaft der Tochter und den afrikanischen Freunden des Kindsvaters Weihnachten. Meine Freundin fand es amüsant.

 

Der Familienvater sollte vorerst die Reise alleine antreten. Frau und Kind würden nachkommen. Im Januar stand der kleine Renault bis unters Dach vollgestopft abfahrbereit. Eine Schachtel befruchtete Eier krönte das Unterfangen und ganz am Schluss wurden Gogi und Nonno in die letzte Lücke verfrachtet.

 

Von Zürich bis nach Dakar sind es sieben Tausend Kilometer. Auf der langen Strecke hat der Geschäftstüchtige fortwährend Artikel aus seinem Sortiment verkauft, um sich damit den Treibstoff zu finanzieren. In nur sieben Tagen hatte der unerschrockene Mann sein Ziel erreicht. Wie er es geschafft hat, mit dieser kleinen, zum Bersten vollen Büchse so schnell zu fahren, bleibt ein Rätsel.

 

Meine Freundin weiss auch nichts Genaueres, wie es Gogi und Nonno während der Fahrt ergangen ist. Ich stelle mir vor, wie die beiden Schweizer Hähne nach dem siebentägigen Trip im fernen Senegal benommen aus dem Auto torkelten. Wir wünschen ihnen, dass sich der Klima- und Kulturschock in Grenzen hält und der afrikanische Boden fette Würmer hergibt. Möge ihnen ein paar glückliche Jahre als Gebieter über eine stattliche Hühnerschar beschert sein.