Bergflirt

 

Was haben Freiberufler und Pensionäre gemeinsam? Sie können einen Prachtstag beim Schopf packen und in die Berge fahren, mitten unter der Woche, wenn Schüler und die Angestellten ihre Pflicht absitzen müssen. So fuhr ich gestern an einem dieser fantastischen Altweibersommertage in der Chäserugg Gondel inmitten einer weiblichen Seniorengruppe Richtung Berg. Die pensionierten Frauen hatten allesamt pfiffige, praktische Kurzhaarschnitte in weiss, grau, meliert oder mutig gefärbt. Alle trugen die typisch Schweizerische Wandergarnitur: karierte Kurzarmhemden, beige ¾ Funktionshosen, hochwertige Bergschuhe und Wanderstöcke. Als heranalternde Fünfzigjährige fühlte ich mich blutjung mittendrin und freute mich mächtig über die ausgelassenen, vitalen Seniorinnen. Wenn das Alter so viel Spass macht, sind das schöne Perspektiven befand ich gut gelaunt.

 

Die neue Chäserugg Bergstation entlockte mir dann ein begeistertes WOW! Gelungen ist der Neubau ganz in Fichte. Noch mehr Frohsinn bereiteten mir das umwerfende Panorama auf allerlei Berge (wovon ich einzig den Säntis bei Namen kannte), über den Walensee und die anschließende fünfstündige Wanderung. Meine Trittsicherheit wurde im Steilhang Richtung Gluristal auf die Probe gestellt. Dafür belohnten mich faszinierende Felsformationen und prächtige Blumen, die den Weg säumten. Über lange Strecken war ich ganz alleine im Hochtal. Der Weitblick und die Schönheit machten mich so fröhlich, dass ich ungeniert aus voller Kehle sang. Volkstümlich war mir zumute. Manchmal hat ein Murmeli zurückgepfiffen.

 

Es war wahrlich ein Prachtstag! Während des Wanderns hat man auch Zeit die Gedanken zu püschelen (ordnen), tief durchzuatmen und überflüssigen Firlefanz im Kopf loszulassen. Oder aber man erinnert sich. Es fiel mir eine Anekdote vom Vorjahr ein, die mir damals ein breites Lächeln und Schamesröte ins Gesicht zauberte.

 

Weil meine Pappenheimer meistens keine Wanderlust haben, bin ich oft alleine unterwegs in der Höhe. So auch an diesem Tag im letzten Herbst. Die Vierergondeln waren spärlich besetzt, ich hatte eine ganz für mich alleine. Bei der Bergstation angekommen, begrüssten mich zwei grosse Plüschtiere, die an einem Mast festgebunden waren.  Der Anblick hat mich sosehr überrascht und amüsiert, dass ich lachen musste. Noch beim Aussteigen schmunzelte ich vor mich hin. Ein Mann mit Schnauz öffnete mir die Gondeltür und ich lachte ihm geradeheraus ins Gesicht. In diesem Moment sprang ein kleiner Funken zwischen uns, den man noch eine Weile in sich trägt, auch wenn man die andere Person nachher aus den Augen verliert. Der Bergbahnangestellte war einiges jünger als ich, braun gebrannt und smart, mit blendend schönen Augen, sehr wortkarg. Ein Mann aus den Bergen halt.

 

Ich bin auf den Gipfel, habe noch ein bisschen diesen prickelnden Moment nachklingen lassen, aber dann beim Wandern vergessen. Ja, was soll ich denn anderen Männern nachträumen! Ich weiss doch, wo ich hingehöre und ich habe überhaupt keinen Bedarf, unter dem Zaun hindurch zu weiden. Und für so einen jungen, hübschen Burschen passte ich eh nicht ins Beuteschema.

 

Nun man trifft sich ja bekanntlich immer zwei Mal im Leben. Dem feschen Bergler musste ich bereits nach der Runde auf dem Berg wieder über den Weg laufen. Wir lächelten uns verlegen zu, brachten aber beide kein Wort über die Lippen. Ich stieg in die Kabine talwärts, die ich wieder für mich alleine hatte. Sie fuhr los und ich war erleichtert, das Intermezzo schnell hinter mich bringen und am Abend meinem Liebsten zu erzählen. Die Gondel machte die Kurve um das grosse Rad in der Bergstation. Plötzlich ruckelte es und die Bahn stand still. Da klopfte es an die Gondelscheibe. Ich erschrak mich zu Tode und fuhr herum. Der junge Bursche reichte mir über das halboffene Fenster eine Handvoll Pralinen und schenkte mir sein allerschönstes Lachen. Ich wurde knallrot wie ein Teenager und nahm die Schokolade verdattert entgegen. Dann liess er die Bahn wieder fahren und mich von dannen ziehen.

 

Auf dem Berg erlebt man immer etwas! Der Flirt mit dem feschen Burschen hatte mir schon ziemlich geschmeichelt, muss ich eingestehen. Aber die Fahrt im Rudel der fröhlichen Rentnerinnen machte mich weit weniger verlegen.