Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns nicht kümmern würden

Neulich in unserer Gasse, ich war gerade im Begriff ins Auto zu steigen und mit meinem Kollegen loszufahren, erinnerte mich eine Alltagsbegebenheit daran, was für mich von grossem Wert ist.

 

Wir waren ein wenig in Verzug zu unserem monatlichen Treffen und es mahnte zur Eile. Plötzlich schoss Nachbars Dackel wie ein geölter Blitz um die Ecke. Er fiepte und winselte, während er für seine kurzen Beinchen ein erstaunliches Tempo hinlegte, das seine Ohren zum Flattern brachte. Der Hund gehört unserem Nachbarn Franz, einem smarten Rentner in den fortgeschrittenen Achtzigern. Seine Frau ist verstorben und er sich hat trotz grossem Heimweh nach seiner Liebsten nie gehen lassen. 

 

Nun - der aufgebrachte Dackel hat mich alarmiert. Es könnte mit Franz ja etwas passiert sein. In Anbetracht dessen, dass  Personen warteten, hastete ich zurück ins Haus und bat meinen Mann Matthias, der an diesem Tag Home Office machte nach Franz zu schauen. Dies war keine Frage für ihn und er machte sich gleich auf den Weg.

 

In der Zwischenzeit wendete ich den Wagen und konnte es nicht sein lassen, doch noch schnell an Nachbars Haus vorbeizufahren um mich zu vergewissern, ob meine Hilfe nicht doch gebraucht würde. Ich sah Matthias von weitem in Franz’ Garten schwatzen. Daraus schloss ich, dass nichts Dramatisches los war. Ich konnte loslassen und zu unserem Meeting fahren.

 

Nach der Mutterschaft möchte beruflich einsteigen und zum Einkommen beisteuern. Im letzten Seminar habe ich drei wunderbare Kollegen – wir nennen uns Buddies - kennengelernt. Wir treffen uns monatlich, um uns mit dem Know-how aus der Fortbildung gegenseitig in unserer beruflichen Entwicklung zu coachen. Das ist eine super Sache! So bleibe ich am Ball und wir decken uns gegenseitig unsere blinden Flecken auf.

 

Einer der Buddy sagte zu mir: „Ich finde, du kümmerst Dich viel zu sehr um andere, statt um Deine Belange. Darum kommst Du nicht vom Fleck. Du hättest den Hund und den Nachbarn heute Morgen einfach ignorieren können, so wie es viele andere auch tun. Dann hättest Du viel mehr Energie für Deine Ziele.“

 

Die Aussage meines geschätzten Kollegen, wurmte mich. Es liegt ja in allem ein Fünkchen Wahrheit. Doch dieses mal muss ihm widersprechen. Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns nicht mehr kümmern würden, um die Menschen und kleinen Dinge des Alltags. Einfach so, erwartungslos, ohne Pauken und Trompeten, unentgeltlich.

 

Am Abend wollte ich natürlich umgehend wissen, wie es um Franz stand. Mein Mann grinste mich breit an und schilderte, welche Situation er angetroffen hatte. Franz stand wie immer durchgestylt in Shorts, Poloshirt und edlen italienischen Schuhen auf einer Bockleiter und hat in einer Seelenruhe die hintere Fassade seines Häuschens gestrichen. So wie Matthias das Bild beschrieb, ging es akrobatisch und alles andere als SUVA*-konform zu und her. Doch Franz wirkte vital und mit sich und der Welt zufrieden. Der Witwer hatte sich über den Kurzbesuch meines Gatten gefreut und beschwichtigte ihn, dass der Dackel nur eine Katze gejagt hatte. Alles in Ordnung. Die zwei Männer hielten ein nettes Schwätzchen über dies und das und unterbrachen so für ein paar kostbare Momente ihr Tagwerk. Unbezahlbar!

 

* TÜV