Das Glück der Zahnlücke oder wie wir uns das Leben zurechtglauben

 

Alles ist Energie. Energie ist immer da. Energie kann weder erzeugt, noch zerstört werden, sie wandelt sich nur, sagt ein Grundgesetz der Naturwissenschaft. Die Auseinandersetzung mit Schwingungen und energetischen Feldern, mit Intuition und die Frage, wie wir mit anderen Menschen oder Örtlichkeiten und ihrer Prägung verbunden sind, hat mich schon immer fasziniert; vom spirituellen, wie auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus. Im Alltagsstrudel haben wir wenig Zeit und Raum, unsere Antennen auszufahren und wahrzunehmen, oder müssen uns regelrecht frei schaufeln. Tiere wissen und unsere Vorfahren wussten, dass das Schärfen aller Sinne ein überlebenswichtiges Instrument ist. Die moderne Zivilisation deckelt unsere von Natur aus gegeben Fähigkeit mit Medienüberreizung, Junk Food, dem Takt von Arbeit/Schule und Freizeithyperaktivität zu.

 

Auf Reisen erlebe ich den Luxus, auf meinen eigenen Rhythmus zu hören, auf die feinen leisen Wahrnehmungen zu achten, meinen siebten Sinn zu schulen und darauf, wie auf einen Kompass zu vertrauen. In Darwin bin ich wunderbar damit gefahren. Ich bin zur richtigen Zeit an die richtigen Orte gelotst worden und war an meine innere Stimme angedockt, wie schon lange nicht mehr in meinem Leben. Ich glaube auch, dass es das war, was ich so sehr vermisst habe in meinem Alltag: Präzise zu wissen, was gut für mich ist. Ich hatte mich total verloren. Und jetzt bin ich wieder angeschlossen. Das ist neben der fantastischen Erlebnisse und Eindrücke das grösste Geschenk meiner Reise.

 

Im Kontakt mit anderen Menschen lerne ich jeweils andere Lebenskonzepte und Glauben kennen. Solche gibt es wie Sand am Meer. Beim normalen Durchschnittsmenschen haben die Weltreligionen ihre Hoheit abgeben müssen. Zum Glück! Denn die haben uns nicht wirklich viel Segen gebracht. Mögen uns Religionen moralische Leitplanken sein, aber kein Freipass, das Hirn auszuschalten und blinden Missionaren nachzulaufen. Und ich wünsche mir für die Menschheit, dass die verirrten Spinner bald keine Rekruten mehr finden für das Bombenkreuzrittertum. Gebt den jungen Menschen Arbeit, Sinn und Perspektiven, aber keine fucking Dogmen und vor allem keine Waffen (aus der Schweiz unter anderem)!

 

Glauben ist individuell und bunt geworden. Kaffeesatzlesen, Jenseitkontakte und sonntäglicher Kirchgang schliessen sich heutzutage nicht mehr aus. Und das ist doch gut, wenn es jemandem Sinn und Kraft gibt und wenn man dafür nicht andere umlegt! Wir glauben uns die Welt zurecht, damit wir in ihr klar kommen.

 

Einen herzigen Zahnlückenglauben hat Joey, den ich am letzten Sonntag an einem Musikfestival getroffen habe. Althippies, Angus Young-Nachahmer, Blueser und Rockladies unterhielten das bunt durchmischte Publikum. Barfuss auf einem Teppich unter weit ausladenden Bäumen spielten die Musiker, die sich Instrumente und Mikros in die Hand gaben. Alle paar Songs wechselten sie sich aus. Easy sunday evening listening. Ich mischte mich unter das fröhliche Beisammensein mit einem Bier in der Hand, lehnte mich an einen Zaun und wippte mit dem Fuss. Die Szenerie erinnerte mich an das legendäre Open Air Neunkirch (im Kanton Schaffhausen) in den 80-/90er Jahren und ich hatte ein Dauergrinsen der Gemütlichkeit im Gesicht.

 

Joey, mit einem Bier in der Hand und einer Kippe im Mund sprach mich an. Er war leicht angetrunken, was ich an seinem Gang und seinem Atem, wenn er mir etwas zu nahe kam, erkannte. Er sagte, ich falle mit meinem Aussehen auf und er sei ganz verzückt von meinem Lächeln. Ich habe dann schnell, um die Grenzen abzustecken, erzählt, dass am nächsten Tag mein Mann mit meinen zwei Söhnen anreiste. Dies schien ihn nicht zu behindern, er wollte mich gar nicht anmachen, sondern einfach nur mit mir plaudern. Er stellte mich allen seinen Kumpels vor, dies bewies, dass er kein lonesome Cowboy war, der Mitleid brauchte. Joey merkte an, dass vor allem meine Zahnlücke ein Hingucker sei. Diese bedeutete der Träger habe viel Glück im Leben. Alle Menschen, die er kenne, die eine Gap (Lücke) zwischen den Schneidezähnen hätten, hätten es zu etwas gebracht und wären vom Leben gesegnet. Wie zum Beispiel Madonna. Er glaube auch, dass man im Aussehen der Menschen lesen und ihre Zukunft voraussagen könne.

 

Ich glaube, dass wir alle mit allem und jedem verbunden sind, weil wir mehr sind als Körper. Und je mehr ich selber in mir ruhe , desto mehr kann ich andere erlauschen und wahrnehmen. Ebenso auch Plätze. Der Bahnhof Zürich hat eine andere Ausstrahlung als der Badeplatz am Bodensee. Die quirlige Grossstadt New York hat ihren ganz eigenen Puls. Und so auch der Regenwald. Einen ersten Eindruck davon bekam ich auf einem Rundgang im Kuranda Nationalpark. Ein Steg führt auf halber Höhe der majestätischen Bäume durch den dichten, saftigen Regenwald zum Barron Wasserfall. Ich war total überwältigt von der rohen Schönheit des Waldes. Die Magie ist nicht in Worte zu fassen, sie hat mich am ganzen Körper ergriffen. Es war anders und doch ähnlich wie auf dem Ubirr Felsen - ein heiliger Moment. Der Wald hat eine eigene Seele, die mit mir kommuniziert hat. 

 

Die letzten zwei Tage war ich, nicht in Angst, aber von Unruhe getrieben um meine Männer, die im Transit zwischen Zürich-Singapur-Sydney-Cairns stecken geblieben sind. Ich konnte nichts machen, als warten und aushalten. Der Regenwald war Balsam. Die Bäume haben mir zugeflüstert, es ist alles in Ordnung. Matthias und den Jungs geht es gut. Ich habe es den Königinnen des Waldes geglaubt und ich fühlte mich geborgen in ihrem Schoss.

 

Kuranda ist ein malerisches Dorf mitten im Regenwald, das mit seinen farbenfrohen Holzhäusern und Märkten eine ganz einzigartige Faszination hat. Mittendrin stand Marks kleine Bude. Mark ist Reiki-Meister seit 23 Jahren. Eine Mischung aus Zeitvertreib, Neugierde und meine chronischen Rückenschmerzen, die jede Zuwendung vertragen können, haben mich dazu bewogen, eine Sitzung bei Mark zu buchen. Ich vertraute ihm an, dass ich etwas aus dem Lot bin, weil meine Männer in Sydney im Terminal feststeckten und ich so sehr wünschte, sie zu unterstützen, ob er ihnen auch eine Portion gute Energie schicken könnte. „Aber sicher – wenn ich Dich behandle, fliessen automatisch good vibes zu deinen engsten Angehörigen“ meinte der Heiler. Ich vertraute ihm, habe mich mit Kleidern auf die Liege hinter dem transparenten Vorhang gelegt. Man kann etwas Gutes, indem man darüber schreibt oder spricht, zerfusseln. Das möchte ich nicht. Nur dies – etwas (.... ) hat mich tief ergriffen. Und meine Männer haben mir beim Berichten der ganzen Odysee erzählt, dass der Flug von Sydney nach Cairns der schönste und entspannteste war..